Jedermann Tour Erfurt

Gespeichert von Jens Müller am/um Di., 03.09.2019 - 08:26
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Die Neuauflage der Deutschlandtour fand in diesem Jahr zum zweiten Mal statt. Erneut duellierten sich Pascal Ackermann, André Greipel und Co auf vier Etappen quer durch Deutschland, diesmal von Hannover – Halberstadt, Marburg – Göttingen, Göttingen – Eisenach und Eisenach – Erfurt. Rund um den Zielort der diesjährigen Tour organisierten die Veranstalter ebenfalls wieder ein Jedermann-Rennen mit zwei Distanzen: die 64 km lange „Erfurter Achterbahn“ und die 113 km lange Runde „Thüringen entdecken“. Erfurt ist nicht weit weg, die Jedermann Tour in Stuttgart im letzten Jahr hat viel Spaß gemacht, damit war die Anmeldung eine Formsache. Sandra absolvierte die Erfurter Achterbahn, ich selbst entschied mich, Thüringen zu entdecken.

Für ein entspannteren Renntag reisten wir bereits am Samstag an und holten unsere Startunterlagen auf dem Erfurter Messegelände ab. Gut organisiert war das relativ schnell erledigt, die gratis Portion Nudeln nahmen wir gerne als Mittagessen mit und hatten im Anschluss Zeit, die Altstadt von Erfurt zu erkunden. Gegen Abend setzten wir uns in ein gemütliches Restaurant und bemerkten jetzt endlich, wofür die Absperrgitter in der Altstadt gedacht waren, die wir nachmittags schon gesehen haben: Hatte ich zunächst vermutet, dass diese für das Radrennen morgen bereits in Position gebracht wurden, stellte sich heraus, dass diese für den Erfurter Nachtlauf waren. Irgendwie schade und ein wenig ärgerlich zugleich, dass wir das jetzt erst bemerkten, ich hätte mich gerne für den 10 km Lauf angemeldet. Stadtläufe an einem Sommerabend haben durchaus ihren Reiz. Aber gut, so blieb uns die Rolle der essenden Zuschauer. Was wir auch erst später wussten: Judith absolvierte den Halbmarathon als Vorbereitungslauf, leider haben wir sie am Abend selbst nicht erspähen können (ob es an der Dunkelheit oder am Bier lag, ist nicht ganz raus).

Sonntagmorgen wurde es dann ernst: Start für die „Erfurter Achterbahn“ war um 08:30 Uhr, Startaufstellung etwa eine Stunde vorher. Die 113er Runde startete in drei Blöcken ab 09:00 Uhr, auch hier eine Stunde vorher Startblocköffnung. Da man ja nicht unbedingt der letzte sein will bei rund 2000 Radlerinnen und Radlern, rollten wir gegen 07:45 Uhr auf der 3,5 km Strecke vom Hotel zum Erfurter Domplatz und sortierten uns passend in unsere Blöcke ein. Nachdem Sandra losradeln durfte, hieß es für mich noch mindestens 40 Minuten warten. Der Moderator hatte immer wieder verschiedene Gesprächspartner am Mikro und dabei wurde auch noch einmal der Streckenverlauf angesprochen: Von Erfurt zunächst Richtung Süden über Arnstadt (der Geburtsstadt meiner Urgroßmutter vor mehr als 100 Jahren), dann über den ersten Anstieg weiter durch das Tal der Wilden Gera nach Elgersfeld. Ab hier dann der Höhepunkt der Tour: Der 5 km lange Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 7 % bis nach Oberhof auf knapp 816 Meter, der höchste Punkt der Tour bei km 64. Von hier ab gehe es dann wie im Flug zurück nach Erfurt zur Zieleinfahrt auf dem Messegelände.

Soweit, so gut. Strecke ist klar und im Kopf gespeichert, ich bin vorbereitet und motiviert, los kann es also gehen. Um 09:10 Uhr dann der Start für den Block 3. Die ersten Kilometer laufen gut, ich bin noch auf der Suche nach einer passenden Gruppe und springe von Gruppe zu Gruppe vor. Von mehreren Gruppen ist aber eigentlich auf den ersten Kilometern gar nicht zu sprechen, es war so voll, dass man eigentlich immer hinter irgendwem her gefahren ist. Durch die kleinen Ortschaften in Thüringen führten auch einige Kopfsteinpflasterpassagen, die die Teilnehmer ordentlich durchschüttelten. Der erste kleinere, aber sehr giftige Anstieg erfolgte ebenfalls auf einer recht engen Kopfsteinpflasterstraße. Wir passierten kleinere Ortschaften wie Heyda, Martinroda oder Geschwenda, überall standen Menschen am Straßenrand und jubelten uns zu, sehr herzlich hier in Thüringen. Kurz vor Gräfenroda ging es nochmal steil bergab und ich konnte eine neue persönliche Top-Pace verzeichnen: 82 km/h. Und dann ging es auch los: Der Anstieg nach Oberhof. Die Strecke führte über eine kleine Kreisstraße umgeben vom Thüringer Wald stetig bergauf. Es lief soweit ganz gut, ich konnte hier auch nochmal etliche Plätze gut machen. Die vielen Höhenmeter auf den Strecken rund um Stuttgart haben sich doch ausgezahlt. Zum Ende hin wurde es aber nochmal haarig: Ein Zuschauer rief uns zu, es seien noch 500 Meter bis zur Spitze. Gefühlt wurden daraus 5000, der Gegenwind tat sein Übriges dazu. Doch dann war es irgendwann soweit, die Strecke wurde flacher und der Parkplatz mit der ersehnten Versorgungsstelle war in Sicht. Ich nutzte diesen ausgiebig, füllte meine Wasserflaschen wieder auf und nahm das Angebot von Obst und Butterkuchen gerne an, wie hunderte anderer Radler auch. Jetzt endlich die ersehnte Abfahrt bis nach Erfurt: fast 50 km immer runter. Jetzt erst hatte sich das Feld etwas entzerrt und eine Gruppe musste her, um auf den Geraden das Tempo hoch halten zu können. Es bildete sich eine Allianz aus einem Johannes, mir und zwei weiteren Radler und wir kreiselten solange, bis wir die wenige hundert Meter vor uns fahrende Gruppe eingeholt hatten, die wir im kurvigen Gelände immer wieder aus den Augen verloren. Ein nicht zu unterschätzender Kraftakt, der sich aber gelohnt hat. Bis nach Erfurt rollten wir dann gemeinsam weiter. Über Crawinkel erreichten wir wieder Arnstadt und mussten die ein oder andere Kopfsteinpassage erneut passieren. Dann in Erfurt die letzten Kilometer. Was ich unterschätzt bzw. verdrängt habe (und das bestimmt nicht als einziger), war dieser kleine Anstieg auf dem Höhenprofil in Erfurt. Es waren zwar nur wenige Höhenmeter auf knapp 3 km, aber die 110 km in den Beinen, der Gegenwind und die mentale Müdigkeit erweckten den Eindruck, als würde ich gefühlt rückwärts fahren. Endlos schien die Zielgerade zu sein, trotz der Anfeuerungen der Zuschauer. Aber auch irgendwann war auch das vorbei, die Zieldurchfahrt war erfolgreich absolviert und das Rennen beendet. Ein vor Freude strahlendes Gesicht nahm die Medaille in Empfang.

Nach 3:38 h war Thüringen entdeckt und das Fazit fällt wie folgt aus: Thüringen ist schön, nicht nur die größeren Orte wie Erfurt, Weimar oder Gotha, auch die kleineren Ortschaften umgeben vom mächtigen Thüringer Wald mit vielen netten Menschen haben ihren Charm. Wir freuen uns auf das nächste Jahr und sind gespannt, wo die Deutschlandtour 2020 enden wird.