Ein Marathon zum Geburtstag
Maria Winter und Bernward Flenner
Hatte ich wirklich mal gesagt, dass ich mal einen Marathon laufen will? war meine Reaktion, als ich unter den Geburtstagsgeschenkpäckchen einen flachen Umschlag mit einem Gutschein fand. Ja, das hast Du, meinte mein Mann Börni und ich freue mich schon so sehr darauf, mit Dir den Frankfurt Marathon am 25.10.2009 zu laufen unseren ersten Marathon!. Geboren in Höchst, wo der Frankfurter Marathon seine Wurzeln hat, hatte er immer ehrfürchtig die Läufer bewundert und wollte selbst mal einer davon sein. Und weil man oft das verschenkt, was man selbst gerne hätte, bekam ich nun einen Marathon-Startplatz zum Geburtstag.
Es war Ende August. Gleich nach dem Geburtstagskaffee suchte ich im Internet nach einem Marathontrainingsplan und stellte mit Erschrecken fest, dass die Zeit zur Vorbereitung mehr als knapp war. Zudem waren wir am Vortag aus einem dreiwöchigen Urlaub zurückgekommen, in dem wir keinen einzigen Meter gelaufen waren na gut einige knackige Bergwanderungen und Radtouren hatten wir gemacht aber ob das reicht? Und dann war da ja noch die Sache mit der Zielzeit. Ich würde ja schon gerne unter vier Stunden ins Ziel kommen. Nach weiteren Internetrecherchen fand ich Formeln um die Zeit aus vorherigen Wettkampfergebnissen auszurechnen sowie Tipps, wie schnell kann man so einen Marathon laufen kann. Aber wie realistisch sind solche Schätzungen? Kann ich mit der verkürzten Vorbereitungszeit wirklich 3:50:53 schaffen, wie es auf der Internetseite nach Eingabe meiner letzten Halbmarathonzeit angezeigt wurde?
Also ging es zunächst mal auf die übliche 10 km-Runde (oh je, die Beine wussten gar nicht mehr was Laufen ist) und am nächsten Tag nahmen wir den ersten Langen Lauf mit 25 km in Angriff (der Muskelkater war heftig). In den darauffolgenden Wochen konzentrierten wir uns nur noch aufs Laufen, mal locker, mal kurz und schnell, mal lang und langsam .... Zeit fürs Schwimmen und Radeln war keine mehr übrig und die fehlende Abwechslung fand ich zunehmend lästig.
Die acht Wochen Training vergingen dann doch schneller als gedacht. Am Wettkampfwochenende packten wir Freitag abends die Laufsachen in unseren Campingbus und tuckerten nach Frankfurt. Mit viel Glück konnten wir einen Park/Schlafplatz nahe der Messe ergatterten, von wo aus wir einen ersten Erkundungsrundgang zum Start- und Zielbereich des Marathons und der Skulptur des hammering man unternahmen, der auch zur nächtlichen Stunde unablässig mit seinem Hammer arbeitete. Den angebotenen Brezellauf am Samstag Morgen ließen wir ausfallen und marschierten lieber direkt in die Messehalle zur Ausgabe der Startunterlagen und des Championchips zur Zeitmessung. Alles war bestens organisiert, so dass wir viel Zeit hatten uns auf dem Gelände und auf der Marathonmesse umzusehen (und dabei von Chinesinnen erschreckt wurden, die sich mit elektrischen Massagegeräten von hinten an uns anschlichen um unseren Rücken zu bearbeiten). Die Nudelparty fand in der historischen Festhalle statt, in die wir am nächsten Tag einlaufen sollten. Dank der Gutscheine und Naturalien, die wir in den Starterbeuteln fanden, waren wir mit Essen und Getränken bestens versorgt und konnten uns am Nachmittag noch durch den kostenlosen Besuch des Palmengartens ablenken (mit Nickerchen in einer warmen Halle unter Palmen).
Da in der Nacht auf Sonntag die Uhren auf Winterzeit umgestellt worden waren, hatten wir für unsere letzten Wettkampfvorbereitungen am Morgen genügend Zeit. Jeder Zeh wurde verpflastert, die extra angenähten Schlaufen des Startnummernbandes mit der entsprechenden Auswahl an Kohlehydrat-Gels bestückt und ein altkleidersammlungsfähiger Pulli übergezogen, den man am Start einfach liegen lassen konnte. So ausgerüstet machten wir uns auf den Weg. Leider blieb es nicht aus, dass wir vor Aufregung mehrmals die Toilette aufsuchen mussten und uns wegen der Wartezeit erst sehr spät mit der Menge in Richtung des zugewiesenen Startblockes schieben konnten. Der Startschuss um 10:00 Uhr ertönte bevor wir dort ankamen, doch schon bald setzte sich das Feld in Bewegung und wir konnten mit nur 10-minütiger Verspätung loslaufen. Die Sonne schob die letzten Wolken, die in den frühen Morgenstunden für Regen gesorgt hatten, beiseite und die Straßen trockneten ab. Da Börni wegen eines langwierigen Infektes wenig trainieren konnte, hatte er beschlossen langsamer zu laufen. So wünschten wir uns viel Glück und ich zog alleine los.
Schon auf den ersten Kilometern durch die Innenstadt wurden wir durch die Zuschauer, die dicht gedrängt entlang der Strecke standen, begeistert angefeuert. Jetzt bloß nicht zu schnell laufen! Kurz nach Kilometer 12 ging es über die alte Brücke auf die andere Mainseite mit lockerer Bebauung und etwas weniger Publikum. An jedem Verpflegungspunkt blieb ich kurz stehen und trank einen Becher Wasser, ab Kilometer 10 leistete ich mir alle 5 km ein Gel. Bei der Halbmarathonmarke zeigten meine angepeilten Zwischenzeiten, die ich auf Papier ausgedruckt ums Handgelenk trug, dass ich eine knappe Minute Vorsprung hatte. Ich fühlte mich gut und so lief ich munter weiter.
Der leichte Anstieg zur Schwanheimer Brücke, die uns wieder über den Main bringen sollte, bremste mich kaum, obwohl viele ihn ehrfurchtsvoll langsam bewältigten. Auf einmal hörte ich ein Maria lauf! Schwager und Schwägerin hatten es geschafft, mich in der Menge von über 10 000 Läuferinnen und Läufern zu erkennen! Am Ende von Höchst hatten wir knapp 30 Kilometer hinter uns gebracht und bogen auf die schnurgerade Mainzer Landstraße ein, die wegen der mangelnden Abwechslung und der Windanfälligkeit berühmt-berüchtigt ist. Obwohl ich merkte, dass meine Beine müde und meine Zwischenzeiten immer langsamer wurden, hatte ich das Gefühl, dass die Kilometer hier relativ schnell geschafft waren.
Bei Kilometer 35 erreichten wir die Straßen, durch die wir am Morgen gekommen waren, doch diesmal liefen wir alle nicht mehr so leichtfüßig. Ich merkte, dass mir dieser Wettkampf langsam keinen Spaß mehr machte und wünschte mir das Ende herbei. Der Kurs, der mir am Anfang so abwechslungsreich vorgekommen war, war jetzt einfach nur anstrengend zu laufen. Die Gassen durch die Zuschauermenge wurden immer enger und wenn jemand anfing zu gehen oder sogar stehen blieb, war das Überholen mühsam. Bei der letzten Verpflegungsstelle kurz vor Kilometer 40 fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter, der dazugehörende Läufer sagte Ich bin aus Scheßlitz! und legte eine kleine Pause ein. Im Weiterlaufen feuerte ich ihn an, guckte auf meine Uhr und dachte, dass ich nun, wo ich es fast geschafft hatte, eigentlich nur noch gemütlich ins Ziel gehen brauche und immer noch unter vier Stunden bleiben würde. Doch dann ließ ich mich von der Temposteigerung der Läufer um mich herum anstecken und versuchte, angesichts der auf mich gerichteten Augen und Kameras, lächelnd in Richtung Messe einzubiegen. Das Ziel in der festlich geschmückten und mit einem roten Teppich ausgelegten Festhalle erreichte ich in 3:50:44 (netto).
Leider konnte ich die tolle Atmosphäre dort wegen den herandrängenden Massen nicht lange genießen. In der nächsten Halle wurde mir die Finisher-Medaille umgehängt und eine Rose in die Hand gedrückt. In eine Wärmefolie gewickelt wurden wir nach draußen zu den Verpflegungsständen geschoben. Dort war es kühl und es herrschte so ein Gedränge, dass man schwer etwas zu Essen oder zu Trinken ergattern konnte. So machte ich mich bald auf den Weg zu meinem Kleiderbeutel und zu den Duschen, die in Containern im Ladebereich der Messe aufgebaut waren. Obwohl sich auch hier eine Schlange mit Wartenden gebildet hatte, kam ich rasch unter das warme Wasser und genoss danach noch eine Massage zur Lockerung der Beinmuskeln. Wenig später klingelte mein Handy und Börni berichtete, dass er im Ziel sei, er hatte es in 4:27:02 geschafft. Mit frischen großen Frankfurter Brezeln, die es vor den Messehallen zu kaufen gab, feierten wir unseren Erfolg.
Gilbert Kirwa aus Kenia gewann den Frankfurt Marathon 2009 mit neuer Bestzeit von 2:06:14. Den 1. Platz der Frauen erreichte die Kenianerin Agnes Kiprop in 2:26:57.
Fotos von marathon-photos.com
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