Es begann im Oktober 2009 mit der für mich überraschenden Aufforderung, meinen Resturlaub bis zum 31.03.2010 abzufeiern. So etwas ist ungünstig für einen Nicht-Skifahrer. Was also tun? Just in dem Moment hatte ich Kontakt mit Freunden in Hongkong, die meine Frau und ich schon lange einmal besuchen wollten. Als sich dann noch herausstellte, dass am 28.02.2010 der Hong Kong Marathon stattfinden sollte, war klar: Es handelte sich um einen Wink des Schicksals.
Der Wink kam gerade zur rechten Zeit. Wenige Tage später begann schon die Einschreibefrist, und noch ein paar Tage später waren die 8000 Marathon-Startplätze bereits vergeben. Die 52000 Plätze für die fünf (!) aufeinanderfolgenden 10km-Läufe und die zwei Halbmarathons waren sogar noch schneller weg.
So wie Hongkong keine typische Grossstadt europäischen Zuschnitts ist, ist der Hongkong-Marathon kein typischer Grossstadt-Marathon. Er führt über drei riesige Brücken und durch zwei beeindruckende Tunnels und verbindet so unter anderem Kowloon mit Hong Kong Island. Ganz nebenbei werden auf diese Weise zahlreiche Höhenmeter eingesammelt. Möglich wird dies durch eine geradezu phantastische Infrastruktur, wie ich sie noch nirgendwo sonst angetroffen habe. Jeder Meter Schnellstrasse scheint entweder über eine Brücke zu führen oder aus dem Stein herausgemeisselt worden zu sein.
Die weitere Besonderheit besteht in den klimatischen Bedingungen. Am Renntag herrschten zur Startzeit (07:15) bereits ca. 25 Grad und 95% Luftfeuchtigkeit. Ich mag Wärme ja ganz gern, aber das war dann doch etwas zu viel des Guten. Persönliche Bestzeit wollte ich hier sowieso nicht laufen, doch unter diesen Umständen musste auch jedes weniger anspruchsvolle Ziel neu überdacht werden.
Ich liess es also vorsichtig angehen, griff aber trotzdem freudig zu jedem angebotenen Wasserbecher. Schon schnell war klar, dass ich alle 2,5 km einen Becher trinken und einen über Kopf und Oberkörper ausleeren musste. Ergänzt wurde diese Erfrischung durch Watsons Mineraldrink, der sich als erstaunlich wohlschmeckend erwies. Auch die ab und zu an der Seite liegenden Mitstreiter mahnten, langsam zu laufen. Insgesamt wurden an diesem Tag 55 Läufer dehydriert oder mit Hitzschlag in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert, davon drei in kritischem Zustand.
Auch der Sieger (und Titelverteidiger) des Rennens, der Kenianer Kiogara Mwobi, litt unter den diesjährigen Bedingungen. Er war mit 2:20:12 etwa 5 Minuten langsamer als 2009. Ich habe deshalb gar kein schlechtes Gewissen dabei, die eigentlich angepeilte 4-Stunden-Marke deutlich verfehlt zu haben. Meine Zeit von 4:07:49 bedeutet immer noch Platz 390 in meiner Altersklasse Master 2 (von 2088 Finishern) bzw. Rang 1039 unter den 4916 männlichen Kandidaten (1116 von 5471 gesamt), die das Ziel im knappen Zeitlimit von 5:30 Stunden (!) erreichten.
Letztendlich bleibt zu sagen, dass die Organisation zwar sicher noch Verbesserungspotentiale aufweist (ein Einteilung der Starter in Blöcke wäre hilfreich und der Internet-Auftritt könnte etwas informativer sein), aber der eigentliche Ablauf am Renntag war vorbildlich. Ich habe kaum irgendwo so viel Helfer am Streckenrand gesehen. Leider habe ich auch selten so wenig Publikum erblickt. Lediglich während des letzten Kilometers auf Hong Kong Island wurden die Läufer lautstark angefeuert.
Alles in allem ist der Hong Kong Marathon jedoch ein Ereignis, welches man nicht missen sollte - jedenfalls, wenn man sich ohnehin gerade in der Gegend befindet. Einen vergleichbaren Lauf wird man in Europa kaum finden.