Dublin-Marathon (von Uli Walter)
Nachdem mir eine innere Stimme mitteilte, daß Washington und New York dieses Jahr irgendwie klimatisch benachteiligt sein würden, buchte ich kurzerhand einen Flug nach Dublin, um am dortigen Marathon teilzunehmen. Dies erwies sich als eine gute Wahl. Dublin ist zwar nicht gerade die sonnigste Ecke Europas, aber am besagten Wochenende war es dort wärmer als in Deutschland - was allerdings nicht viel besagt.
Schon am Sonntag beim Frühstückslauf war das Wetter durchwachsen, aber die circa 500 Teilnehmer hatten trotzdem ihren Spaß. Der Veranstalter teilte Flaggen aus, die die Teilnehmer der jeweiligen Nationen beim Lauf tragen sollten. Es kamen einige Flaggen zusammen, und ich wurde unversehens Fahnenträger der deutschen Mannschaft. Das wurde ja auch langsam einmal Zeit.
Der Frühstückslauf ist auch sonst sehr zu loben. Die Teilnahme war kostenlos, und trotzdem bekam jeder Teilnehmer ein schönes Lauf-Shirt (vorne und hinten bedruckt) sowie ein Goody-Bag mit leckerem Inhalt. Wo gibt es das sonst?
In Irland scheint es übrigens eine Steuer auf langärmelige bzw. -beinige Kleidung zu geben. Trotz Temperaturen um die 5 Grad lief kaum jemand mit langen Hosen oder langärmeligen Oberteilen. Am Marathon-Tag kann ich das ja noch irgendwie verstehen, aber auch trainierende Läufer sowie die Passanten in der Fußgängerzone zeigten gerne trotz niedriger Temperaturen viel Haut. Brrr!
Am Montag (der letzte Montag im Oktober ist irischer Nationalfeiertag) ging es dann auf die Marathondistanz. Start und Ziel liegen in der Innenstadt, die Laufstrecke führt durch Parks und Randbereiche der Stadt. Teilweise läuft man auf abgetrennten Spuren breiter, viel befahrener Straßen. Publikum findet man nicht überall, aber an den beliebtesten Stellen feuern die Zuschauer die Läufer lautstark und temperamentvoll an - insbesondere im Bereich Heartbreak Hill (die Bezeichnung haben die Iren aus Boston geklaut) und kurz vor dem Ziel. Nach meinen Erfahrungen würde ich Strecke und Stimmung mit Köln vergleichen, und das heißt ja schon etwas. Dublin ist allerdings deutlich hügeliger als Köln und schlecht geeignet für Bestzeiten.
Im Ziel gab es wieder ein Goodie-Bag, dieses Mal mit ebenfalls hochwertigem, langärmeligem Laufshirt (wohl für Tage mit -20 Grad gedacht) sowie die obligatorische Medaille. Organisation, Zuschauer und die Möglichkeit, eine Reise durch Irland anzuhängen und die zahlreichen Pubs zu besuchen, machen den Dublin-Marathon daher zu einer Empfehlung.
Was meinen persönlichen Lauf angeht, hier zunächst einen Exkurs zum Morgen vor dem Lauf:
---
Mein Wettkampf-Ich meldete sich mit den Worten: So, heute will ich endlich einmal auf das Treppchen. Mein Realo-Ich antwortete: Du bist wohl vollkommen durchgeknallt. Ich bin froh, wenn wir finishen. W: Versuchen wir wenigstens eine Bestzeit! R: Mal nachdenken: Du bist 2012 so wenig gelaufen wie seit 15 Jahren nicht mehr, Du hast nur 7 Wochen schlampig trainiert, der Kurs ist Dir zu hügelig, es ist Dir zu kalt, und in den letzten zwei Tagen bist Du den ganzen Tag kreuz und quer durch Dublin gestiefelt und hast Dir dabei die Füße plattgetreten. Außerdem bist Du 51 Jahre alt. Von den Guinness und den Zigaretten ganz zu schweigen ... Mir wäre lieber, wir kämen etwas schmerzfreier ins Ziel als letztes Jahr in Schottland. W: Spielverderber! Lass uns wenigstens die vier Stunden knacken. Das ist mein letztes Angebot. R: Na gut aber gaaanz vorsichtig! Die Wege der Entscheidungsfindung sind eben manchmal verschlungen
---
So kam es dann auch. Ich lief ziemlich ambitionslos von vorneherein auf eine Zeit im Bereich von 3:50, und alle Zwischenzeiten paßten. Gegen Ende mußte ich die Zähne zusammenbeißen und es kam eine 3:54:56 heraus (203. von 505 Finishern M50, 4404. von 8660 M, 4921. von 11990 gesamt). Mehr konnte ich an dem Tag nicht erwarten. Allerdings hat mich überrascht, daß unter den genannten Voraussetzungen eine 3:54 nicht reicht, um unter die vordere Hälfte der männlichen Finisher zu kommen. Die sind eben echt hart, die Iren!
Man findet in Dublin schnell Freunde.
Die Spitzengruppe. Ich bin knapp dahinter, aber leider nicht mehr ganz im Bild.
Na gut - ich bin das orange-farbene Etwas im Hintergrund.
Verfroren im Ziel - eine Iso-Folie habe ich leider nicht erhalten.
Datum