Es war der Geburtstag meiner Mutter und ich saß im Auto auf dem Weg nach Ulm genau gesagt nach Blaustein. Meine Mutter wohnt aber in Sachsen und somit war klar ich werde nicht zur Familienfeier sondern zum 100 Km Nachtlauf fahren. Allein dieser Sachverhalt hatte im Vorfeld schon zu einigen Diskussionen geführt.
Auch dass ich wegen der Aktion eine Stunde früher unser Kitasommerfest verlassen musste als alle anderen Kolleginnen war mir nicht leicht gefallen ja und die Tatsache nach einer guten Arbeitswoche die Freitagabend 18:00Uhr endete um 23Uhr in Ulm/Blaustein am Start zu stehen war aus meiner Sicht auch nicht gerade rosig. Als ich mir beim Briefing zum ersten Mal die Streckenführung verinnerlichte dachte ich nur, dass werde ich heute vielleicht gar nicht alles laufen können. Das Gute war, dass wir während des Rennens 3x durch die Sportanlage laufen sollten an der ich mein Auto geparkt hatte und dieses so groß ist das ich in ihm auch schlafen konnte von daher musste ich nicht von Anfang an denken, dass ich auch unbedingt die 100Km durchlaufen müsste. Am Start traf ich ein paar bekannte Ultrajunkis alle waren gut gelaunt und es gab viel zu quatschen. Pünktlich 23Uhr ging es los, ein beeindruckendes Feuerwerk, dass wir leider schon sehr bald im Rücken hatten verabschiedete uns aus der Sportanlage hinaus in die Nacht. Die Stimmung war gut viele Läufer unterhielten sich und ich gab ab und an meinen Senf dazu. Die ersten 8Km zogen sich ein wenig als der erste Vp kam dachte ich es müssten schon mind. 10Km rum sein, waren es aber nicht. Danach ging es vom Asphalt ab in den Wald auf leicht matschigen Boden hinauf zu einem Steinbruch. Außer Wald und Asphalt konnte ich nicht viel von der Strecke erkennen, keine Ahnung ob es um mich herum Landschaftlich schön war oder nicht ich sah nur in den etwas schwachen Lichtkegel meiner Stirnlampe (deren Batterien ich auch nicht mehr auf Stärke überprüft hatte). Zu dem Zeitpunkt waren viele Läufer beieinander wir rannten alle zusammen, die 50Km Einzelläufer, die Staffelläufer und die 100Km Einzelläufer. Da viel mir auch noch nicht auf wie schwach mein Licht eigentlich war, da meine Mitläufer ordentlich Saft auf ihren Lampen hatten. Ich hängte mich an eine durchtrainierte Frau da wir das selbe Tempo hatten und uns immer wieder gegenseitig überholten irgendwann sprach ich sie an und wollte wissen, was sie so vor hat und sie sagte, die 50Km gut durchzulaufen und da dachte ich mir verdammt ich bin dann wohl zu schnell unterwegs. Wir unterhielten uns noch eine Weile und dann sagte sie, ich sollte weiter rennen sie wäre bergab langsamer. Na super jetzt rannte ich vor der 50Km Frau die sowieso schon recht flott unterwegs war. Na gut, langsamer werde ich von alleine dachte ich mir. Ich rannte durch die Nacht und hatte auf einmal Spaß dabei nach dem mich die erste 30Km Runde durch die Sportanlage führte, freute ich mich darauf die 20Km Runde in eine andere Richtung zu rennen. Bei Km 40 war ich so gut drauf, dass ich beschloss die 100Km komplett zu laufen da ich neugierig war wie die erste 30Km Runde, die zum 2x allerdings nun bei Dämmerung zu laufen war, bei Tag aussah.
Mittlerweile war ich über weite Strecken allein unterwegs und genoss diesen Zustand, nur ich die nun wirklich schöne Landschaft und das Laufen. Krass fand ich die Wanderer denen ich jetzt ab und zu begegnete diese liefen alle ebenfalls die 100Km allerdings starteten diese schon um 19Uhr und würden, wenn bei mir alles gut lief sicherlich noch länger unterwegs sein als ich. Respekt, mich motivierten diese Leute und waren meine wahren Helden auf dem Kurs. Bei mir liefs gut keine nennenswerten Probleme, der Kopf spielte mit und die Beine machten ihren Job. Das zweite Mal die 20Km Runde zu laufen forderte mich jetzt noch mehr als beim ersten Mal. Einen langen Anstieg den ich zuvor noch langsam hochrennen konnte musste ich nun schnellen Schrittes gehen. Die letzten 10Km ging es herrlich bergab, allerdings zog sich das schöne Tal endlos in die Länge. Vor mir erblickte ich eine Läuferin die auch schon recht gezeichnet aussah und ich kam immer näher. Ich halte nicht viel davon Leute bei langen Läufen kurz vor dem Ziel zu überholen da ich denke, wir haben so viel Strecke Zeit um uns klar zu positionieren da muss das nicht auf den letzten Metern mit Verbissenheit gemacht werden. Aber sie wurde immer langsamer und wir hatten auch noch 3-4Km vor uns also lief ich auf und sprach sie an. Wir beide waren uns einig, dass es jetzt reichen würde und wir genug gerannt waren und liefen ein kleines Stück nebeneinander her. Sie sagte, letztes Jahr wären ihr die 50Km leichter gefallen als dieses Jahr. Was??? 50Km??? Cool dann kann ich ja doch ohne schlechtes Gewissen ein ganz klein wenig schneller weiter rennen. Ich lief die letzten 2Km voller Freude und hatte mir vor genommen erst im Ziel auf die Uhr zu schauen aber das hielt ich jetzt nicht mehr aus. Wow meine Uhr zeigte 100Km in 10:59 für mich eine geile Zeit aber das war wie gesagt 2Km vor dem Ziel ;) Ich rannte in das kleine Sportstadion ein. Es fühlte sich super an ich war nicht so erledigt wie letztes Jahr in Biel und konnte das alles genießen. Der Stadionsprecher sagte, und hier kommt dann die erste Frau. Ich war fast versucht mich umzudrehen um sie einlaufen zu sehen aber dann schnallte ich es, krass das bin ich, die erste Frau bin ich!!! Ein Traum 11:06:52 auf der Strecke. Ich wusste während des gesamten Rennen weder meine Zeit, noch meine Platzierung und das war super gut so, ich konnte einfach nach meinem Gefühl laufen ohne getrieben zu sein das war herrlich. Naja und meine Mutter wurde durch den Sieg ihrer Tochter auf 100Km für das Fehlen an ihrem Geburtstag entschädigt, sie war Stolz wie Bolle. Aber nächstes Jahr geh ich lieber wieder Geburtstagfeiern und denke im Kreise meiner Lieben an den Erfolg des vergangenen Jahres zurück.
Steff